Wie sind Betrieb und Nutzung von Beginn weg in Projekte zu integrieren, um den Übergang in die Betriebsphase zu einer Nahtstelle werden zu lassen.

Entlang des Bogens Projektinitiierung, Projektierung und Realisierung bis hin zum Projektabschluss gilt es vielerlei Aspekte zu beachten, damit im späteren Betrieb keine Ernüchterung aufkommt. Die Übergabe eines fertiggestellten Bauprojektes ist dabei der entscheidende Moment, bei welchem die Immobilie aus der Hoheit des Projektteams in die Verantwortung des Betriebs und der Nutzenden übergeht. Dieser Zeitpunkt ist im gesamten Projektverlauf – und im Lebenszyklus einer Immobilie erst recht – lediglich ein kurzer Augenblick, aber für eine optimale Bewirtschaftung von grösster Bedeutung. Darum ist die Übergabe möglichst professionell vorzubereiten. Der folgende Text beleuchtet den Bogen der Projektabwicklung und fokussiert dabei speziell auf die Nahtstelle zwischen Realisierung und Betrieb.

Projektabwicklung

Eine gute Geschichte braucht eine Idee, einen Plan zu deren Umsetzung und die richtigen Protagonisten, welche darin ihre Rolle spielen. In einer Bauprojektabwicklung ist dies nicht anders. So stellen die strategischen Vorgaben und eine zugrundeliegende langfristige Finanzplanung die Basis für die Initialisierung eines Bauprojektes dar. Darauf gedeiht aus einer Idee eine Projektskizze. Darin enthalten sind eine Bedarfsermittlung, ein Leistungsangebot mit klarer Projektabgrenzung und wirtschaftliche Überlegungen. Diese Projektskizze wird nach erfolgtem Projektstart in der Definitionsphase zur Bestellung konkretisiert. Diese beinhaltet ein Raumprogramm, ein Pflichtenheft und ggf. ein Nutzungskonzept. Mit der Bestellung sind auch die Projektorganisation sowie das Abwicklungsmodell zu definieren und idealerweise in einem Projekthandbuch festzuhalten. Um die konkreten Anforderungen der Nutzenden und Betreibenden korrekt zu erfassen und geeignet abzubilden, sind diese unbedingt bereits in dieser frühen Projektphase beizuziehen.

In der Projektierung hat das Planungsteam die Aufgabe, die definierten Anforderungen in eine konkrete Planung zu übersetzen. Es obliegt der Bestellerseite, diesen Prozess zu führen, die Erfüllung ihrer Ansprüche zu kontrollieren sowie bei Bedarf korrigierend einzugreifen. Auch hierbei ist die Beteiligung der Nutzenden und Betreibenden von grosser Wichtigkeit. Die Aufgabenverteilung in der Realisierungsphase folgt demselben Muster. Bereits früh in der dieser Projektphase ist die Übergabe zu konzipieren und zu planen, so dass die Umsetzung und Dokumentation später reibungslos funktionieren. Werden diese Schritte entlang des Projektablaufs wie vorstehend beschrieben befolgt, sind allen Beteiligten ihre Aufgaben und die zu erfüllenden Anforderungen klar. So wird die Schnittstelle zwischen Realisierung und Betrieb dank dem frühen und laufenden Einbezug der Nutzenden und Betreibenden reibungslos funktionieren und damit zur passenden Nahtstelle. Nach der erfolgreichen Übergabe stehen noch diverse dem Bauprojekt nachgelagerte Schritte, wie Abschluss der Mängelbereinigung oder Einregulierung, an.

Voraussetzungen für eine passende Nahtstelle zwischen Realisierung und Betrieb

Die oben erwähnte, frühe Beteiligung der Nutzenden und Betreibenden bedingt eine vertiefte Auseinandersetzung mit den Projektzielen und den konkreten aus der späteren Betriebs- und Nutzungsoptik abgeleiteten Anforderungen. Diese Vorgaben sind in einer für die Planenden fassbaren Form zu festzuhalten. Dabei ist ein Verständnis dafür, was wirklich nötig, sinnvoll und umsetzbar ist, eine wichtige Voraussetzung für eine reibungslose Projektabwicklung. Zu hohe Erwartungen können zu einer Überforderung der Projektorganisation führen. Wenn beispielsweise die Betreibenden bereits in einer frühen Projektierungsphase konkrete Verbrauchswerte zu haustechnischen Anlagen erwarten, wird dies erst mit der Definition der konkreten Anlagen im Rahmen der Ausschreibungsphase möglich sein. Oder die Vorgabe zur Erfassung detaillierter Produktinformationen zu allen Bauteilen würde die Projektierung, insbesondere bei einem gemeinsamen Datenmodell, unnötig träge machen. Solche Produktinformationen werden, wenn überhaupt grösstenteils erst im Betrieb genutzt. In der Projektierung haben sie eine untergeordnete Bedeutung. Daher ist es sinnvoll und unvermeidbar, dass ein Teil der für die Projektierung benötigten Informationen für die Bewirtschaftung nicht weiter zur Verfügung stehen. Die Bewirtschaftung die ihr übergebenen Daten hingegen um die für sie relevanten Informationen anreichert. Dieser Umstand wird den Projektbeteiligten oftmals erst bei der Übergabe der Bauwerksdokumentation und der Integration der Projektdaten in eine Bewirtschaftungsplattform bewusst. Eine durch die Planenden und Betreibenden gemeinsam begleitete Einregulierungsphase zur Betriebsoptimierung kann dabei helfen, den Datenverlust zu minimieren und eine optimale Nutzung der vorhandenen Daten sowie die Ergänzung von zusätzlich benötigten Daten zu unterstützen.

Abbildung: Informationsverluste an den Schnittstellen

Konkrete Vorbereitung und Umsetzung der Übergabe

Nachfolgend werden die konkreten Massnahmen erläutert, durch welche die Übergabe von einer problembehafteten Schnitt- zu einer reibungslosen Nahtstelle wird. Eine gute Vorbereitung beginnt frühzeitig mit der Konzipierung und Planung des Projektablaufs bis und mit Abnahme und Übergabe. Wobei vom Groben ins Feine bauteil- und anlagespezifisch die Schritte und Verantwortlichkeiten zuerst skizziert und später konkret geplant werden. Festgehalten wird dies in einem beschreibenden Konzept mit erläuternden Beilagen, wie beispielsweise einem Terminplan oder Vorgaben zur Bauwerksdokumentation. Einzelne Schritte, wie beispielsweise ein integraler Test der sicherheitsrelevanten, haustechnischen Anlagen, müssen dabei detaillierter konzipiert und vorgegeben werden. Mit einer solchen Vorbereitung wissen alle Beteiligten, wann Sie welchen Schritt der Inbetriebsetzung an die Hand nehmen müssen, welche konkreten Tätigkeiten dabei durch wen zu erfolgen haben, wie diese mit Nebengewerken zu koordinieren sind, wer diese begleitet und wie die Resultate zu dokumentieren sind. Ist dieser Schritt erfolgt und das Bauteil, die Anlage oder das Gesamtsystem fertiggestellt, erfolgen in einer sinnvoll strukturierten Form die Vorabnahmen. Sinnvoll kann dabei beispielsweise eine Unterteilung in technische und baulich/gestalterische Elemente sein. Die einzelnen Vorabnahmen selbst können wiederum bauteil- und anlagenweise gruppiert werden. Die Vorabnahmen offenbaren nachzubessernde Punkte wie beispielsweise fehlende oder mangelhafte Elemente, welche vor dem nächsten Schritt zu bereinigen sind. Parallel erfolgen die Schulungen samt Übergabe der für einen reibungslosen Betrieb notwendigen Unterlagen und Zugangsberechtigungen. Dabei sind vorgängig die Verantwortlichkeiten für die Betriebsaufnahme und den Betrieb sowie die Datenübernahme zu klären.

Bei Bedarf erfolgt ein zweiter Schritt der Vorabnahmen mit einem seitens Bauherrschaft erweiterten Teilnehmerkreis. Der abschliessende Schritt ist dann die formelle Abnahme und Übergabe an die Bauherrschaft und oft Zug um Zug weiter an die Betreibenden und die Nutzenden. Die effektive Abnahme und Übergabe erfolgt nur, wenn keine oder nur unwesentliche Mängel vorliegen. Sind wesentliche Mängel vorhanden (vereinfacht gesagt, ist der Nutzungszweck eingeschränkt), erfolgt im Regelfall keine Abnahme und Übergabe. Eine wesentliche Beilage zum allseitig zu unterzeichnenden Abnahme- und Übergabeprotokoll ist eine konsolidierte Mängelliste, welche die noch anstehende Mängelbereinigung regelt und eine Übersicht über alle aufgenommenen Mängel gibt. Im Anschluss zur Abnahme und Übergabe erfolgen der Bezug und die Betriebsaufnahme, der Abschluss der Mängelbereinigung und eine Einregulierung zur Betriebsoptimierung. Eine solche Einregulierung erstreckt sich sinnvollerweise über mindestens 12 Monate, um die effektiven Lastfälle über alle Jahreszeiten abzudecken und erfolgt oftmals unter Mithilfe der Planenden und der ausführenden Unternehmen.

Fallstricke rund um die Abnahme und Übergabe

Rund um die Abnahme und Übergabe gibt es einige Gefahren, welche vermieden werden müssen. Die wohl grösste Gefahr folgt dem Pareto Prinzip. Geht ein Bauprojekt zu Ende, sind die meisten Beteiligten immer weniger greifbar, beispielsweise weil sie bereits an anderen Projekten arbeiten. Dabei ist es wichtig, dass die Projektbeteiligten das Projekt bis zur korrekten Erfüllung abschliessen und allen dabei auftauchenden Problemen auf den Grund gehen. Um dies zu gewährleisten, wird in diesem Prozess möglichst das gesamte Know-how der Bauherrschaft, Nutzenden, Betreibenden, Planenden, Unternehmern und Spezialisten einbezogen.

Take-aways

Zusammenfassend sind folgende Punkte für eine erfolgreiche Projektabwicklung zu beachten: 

  • Die Nutzenden und Betreibenden sind beim Formulieren, Kontrollieren und Nachjustieren der Bestellung beizuziehen. Die Lieferobjekte sind u. a. im Projektpflichtenheft, Raumprogramm sowie im Nutzungs- und Betriebsführungskonzept festzuhalten.
  • Der Bauprozess ist bis und mit Abnahme und Übergabe frühzeitig zu planen. Damit können die Beteiligten rechtzeitig die geeigneten Ressourcen bereitstellen und den Prozess vorbereiten. Das Vorgehen wird sinnvollerweise im Projekthandbuch oder in einem Inbetrieb- und Abnahmekonzept festgehalten.
  • Bei auftauchenden Problemen möglichst das gesamte verfügbare Know-how beiziehen und darauf fokussieren die Ursache auch zu beheben und nicht bloss die Symptome zu bekämpfen.

 

Professionelle Bauherrenorganisationen halten sich an diese Empfehlungen. Brandenberger+Ruosch unterstützt Bauerschaften dabei 

  • eine umfassende und phasengerechte Bestellung zu formulieren
  • die Nutzenden und Betreibenden frühzeitig einzubeziehen
  • eine effiziente und breit abgestützte Projektorganisation aufzubauen, in welcher alle Beteiligten ihre Verantwortung kennen und wahrnehmen.

 

Die nachfolgenden Fachartikel verdeutlichen die erfolgreiche Umsetzung einiger der obigen Aspekte: