Probleme baulicher Grossprojekte haben ihren Ursprung oft in der mangelnden Beauftragung und Organisationsgestaltung seitens des Bestellers. Vier wesentliche Grundlagendokumente schaffen Klarheit und sichern den Projekterfolg.

Ursachen baulicher Probleme

Die Ursachen von Problemen bei baulichen Grossprojekten sind mannigfaltig. Im Zentrum der Kritik stehen vordergründig oft Termin- und Kostenüberschreitungen. Viele Ursachen gründen aber tiefer, in der Bestellerkompetenz. Erwartungen und Ziele des Bestellers konkretisieren sich vielfach erst mit dem Projektfortschritt. Planungsänderungen oder gar Änderungen in der Ausführung sind die Folge, Auswirkungen auf Kosten und Termine die Regel. Ein professioneller Besteller erarbeitet daher neben der übergeordneten Projektdefinition von Anfang an vier zentrale Grundlagendokumente, die sich mit den Projektanforderungen, der Art und Weise der Projektabwicklung und dem späteren Betrieb auseinandersetzen. Er zwingt sich dadurch selber, schon bei Projektstart zu reflektieren, was er wirklich bestellen will. Die entsprechenden Vorgaben werden im Laufe des Projektfortschrittes phasengerecht verfeinert und Umplanungen dadurch weitgehend verhindert. Die allgemeinen Projektmanagementgrundsätze zu Leistungen, Kosten, Terminen werden hier bewusst nicht thematisiert. Sie werden als Basisinstrumente vorausgesetzt.

Frühzeitige Einflussnahme

Allen am Bau Beteiligten ist bewusst, dass die Einflussnahme des Bestellers auf Kosten und Termine am Anfang eines Projektes am grössten ist und dann rapide abnimmt. Durch die frühe Sicherstellung einer möglichst detaillierten Beauftragung und Organisation macht sich der Besteller eben diese Erkenntnis zunutze, um in seinem Sinn auf das Projekt einzuwirken. Im Idealfall werden daher die im Folgenden vorgestellten Grundlagendokumente im Rahmen der strategischen Planung derart erarbeitet, dass sie bei Start der Vorstudien/Planung in einem phasengerechten Detaillierungsgrad vorliegen.

Vier Grundlagendokumente

Die Basis für die erfolgreiche Abwicklung von komplexen Bauvorhaben ist das Vorhandensein von vier wesentlichen Grundlagendokumenten. Sie werden in der Praxis oftmals miteinander vermischt, was deren Gehalt reduziert und zur Verunsicherung über die Notwendigkeit und Zielsetzung der Dokumente bei den Projektbeteiligten führt. Daher sollten die Inhalte wie folgt abgegrenzt sein:

  • Betriebskonzept: Regelt die betriebs- und nutzungsspezifischen Prozesse.
  • Raumprogramm: Definiert Raumtypen, Raumbeziehungen und deren Mengengerüst.
  • Projektpflichtenheft: Definiert die detaillierten Projektziele und Anforderungen des Projektes.
  • Projekthandbuch: Beschreibt die übergeordneten Ziele und Rahmenbedingungen, regelt die Projektorganisation mit Verantwortlichkeiten, beschreibt die Prozesse und Vorgaben in Bezug auf Kosten, Termine, Qualität/Leistung.

Der Besteller im Lead

Abgesehen vom Projekthandbuch, werden die Dokumente seitens Besteller in Zusammenarbeit mit dem späteren Nutzer und Betreiber erstellt. Sollte der spätere Nutzer noch nicht bekannt sein – z. B. bei Mietobjekten – erfolgt die Zusammenarbeit mit dem Vermarkter. Bei allfälligen Sachzwängen aus der vertieften Planung und bei Phasenabschluss werden i. d. R. das Projekthandbuch sowie das Projektpflichtenheft aktualisiert. Die präzise Abgrenzung der Inhalte und deren Reduzierung auf das Wesentliche erhöhen die Akzeptanz der Dokumente bei den Projektbeteiligten. Um die Verbindlichkeit der Grundlagendokumente zu sichern, müssen sie Bestandteil der relevanten Verträge sein (Planer, Generalunternehmer, Totalunternehmer usw.). Dass die meisten Beteiligten wenig oder keine Erfahrung in der Erstellung solcher Dokumente haben, stellt kein Hindernis dar. Entscheidend sind die methodische Führung der Beteiligten und das strukturierte Erfassen der für das jeweilige Dokument relevanten Anforderungen mit anschliessender Reduktion auf das Wesentliche und tatsächlich Notwendige. Dies erfordert eine kompetente und erfahrene Leitung auf Stufe Besteller.

Das Projektpflichtenheft

Innerhalb der Grundlagendokumente stellt das Projektpflichtenheft die detaillierte Auftragsformulierung an die Auftragnehmer (Planer) dar. Dabei ist wichtig zu betonen, dass das Projektpflichtenheft die Auftragnehmer selbstverständlich nicht von ihren sonstigen gesetzlichen und vertraglichen Leistungen entbindet. Des Weiteren bildet das Projektpflichtenheft die Grundlage für das Projektänderungswesen, aufgrund dessen sich Anpassungen von Projektzielen und -anforderungen samt daraus resultierenden Kosten- und Terminveränderungen transparent nachvollziehen lassen. Das Projektpflichtenheft ist wie folgt strukturiert:

  • Allgemeine Anforderungen
  • Anforderungen seitens Nutzer
  • Anforderungen seitens Betreiber.

Die allgemeinen Anforderungen an die Auftragnehmer ähneln sich in vielen komplexen Bauprojekten. Sie sind teilweise in den verschiedenen Normen und anderen Vertragsgrundlagen der Vertragspartner definiert. Sie sind unbestrittener Teil der anerkannten Regeln der Baukunst. Um aus der Vielzahl dieser Dokumente, die für den Auftraggeber wichtigsten Anforderungen zu formulieren, werden sie im Projektpflichtenheft aufgelistet und beschrieben. Hinzu kommen weitere auftraggeber- und projektbezogene Anforderungen und Vorgaben, die in keiner Norm erfasst, für den Besteller aber nicht minder interessant sind. Die allgemeinen Anforderungen gliedern sich in folgende Themen:

  • rechtliche Rahmenbedingungen (Baurecht, Normen, Erdbebensicherheit, Brandschutz usw.)
  • standortbezogene Rahmenbedingungen (Geologie, Zufahrten, Altlasten, Denkmalschutz, Archäologie usw.)
  • auftraggeber- bzw. projektbezogene Rahmenbedingungen (Energie, Nachhaltigkeit, Bauphysik, Dokumentation, Wartung- und Unterhalt, Bewirtschaftung, Einbringkonzepte Technik & Nutzung usw.).

Zentraler Bestandteil der Anforderungen Nutzer ist die detaillierte Darstellung der Anforderungen an die einzelnen Raumtypen, die durch das Raumprogramm vorgegebenen sind. Hier wird jeder einzelne Raumtyp in Form eines Typenblattes mit seinen genauen Anforderungen an die Materialisierung, Lage und Ausstattung (inkl. Möblierung) usw. beschrieben. Die detaillierte Zusammenstellung bietet umfassenden Nutzen für alle Projektbeteiligten. Den Nutzern dient sie als Überblick ihrer Bestellung und Kontrolle, den Planern als Checkliste und Planungsauftrag sowie dem Besteller als Definition der Standards mit unmittelbaren Auswirkungen auf die Investitionskosten.

Die Anforderungen des Betreibers unterscheiden sich wesentlich von jenen der Nutzer, zumal die Hauptkosten im Lebenszyklus einer Immobilie bei ihm liegen. Aus diesem Grund müssen auch diese Anforderungen im Projektpflichtenheft verankert sein. Sie beziehen sich in erster Linie auf die Inbetriebnahme, die Instandhaltung und die Instandsetzung sowohl der baulichen als auch der technischen Infrastruktur. In Form von Konzepten und Beschrieben müssen die Auftragnehmer nachweisen, wie der fach- und sachgerechte Betrieb der Immobilie sichergestellt wird.

Das Raumprogramm

Zu Beginn der räumlichen Immobilienkonzeption stellt das Raumprogramm eine wichtige Planungsbasis dar. Es definiert die zu erstellenden Raumtypen und das dazugehörige Mengengerüst mit Raumflächen und Anzahl der Räume. Es wird vorteilhafterweise gemäss SIA 416 (Flächen und Volumen von Gebäuden) strukturiert, was auf einheitliche Weise den Vergleich zu Best Practice-Beispielen, den Wirtschaftlichkeitsnachweis, Variantenvergleiche und eine statistische Erfassung ermöglicht.

Ferner hat die Beziehung der Räume zueinander (organisatorische Zugehörigkeit, Nutzung etc.) einen hohen Stellenwert. Ziel ist es, diese derart zu gestalten, dass ein funktionaler und effizienter Betrieb gewährleistet ist. Es sollen aber keine Grundrisse «vorgezeichnet» werden. Es liegt am Architekten, die Vorgaben möglichst optimal in Grundrisse umzusetzen. Erfahrungen aus Architekturwettbewerben zeigen, dass trotz detaillierter konzeptioneller Vorgaben diese sehr unterschiedlich ausgelegt und vor allem weiterentwickelt werden können. Der notwendige Spielraum ist bei richtiger Ausarbeitung also gewährleistet.

Zu beachten ist, dass aufgrund von Planungszusammenhängen die Umsetzung des Raumprogramms bzgl. der Flächen nicht in allen Bereichen exakt möglich ist. Dies erklärt auch, warum das Raumprogramm bereits in einer frühen Planungsphase (SIA 32, Vorprojekt) durch die Grundrisse abgelöst bzw. durch diese überholt wird und damit nicht bis zum Projektende gepflegt wird.

Das Betriebskonzept

Der Zweck einer Immobilie besteht in deren Nutzung. Entsprechend ist es wesentlich, dass zuerst die Planung der Nutzung samt Betrieb weitgehend abgeschlossen ist, bevor der Planung der Immobilie an sich begonnen wird. Nur so kann deren präzise Zweckerfüllung von Anfang an konsequent verfolgt sowie effizient und kostenoptimal garantiert werden. Diese Aufgabe übernimmt das Betriebskonzept. Es beschreibt mindestens die Betriebszielsetzung, -organisation, -struktur, -abläufe, -finanzen, -perspektive, und es werden betriebliche Kenngrössen und Zustände dargestellt. Für das Projekt ist es wichtig, dass nicht ein aktuell bestehender Betrieb und die zugehörige Nutzung beschrieben werden (wenn überhaupt schon vorhanden), sondern dass der Fokus auf die Zeit nach der Inbetriebnahme gelegt wird. Fehlt ein Betriebskonzept, so stehen das Raumprogramm und das Projektpflichtenheft auf «wackligen Füssen» und stellen keine wirkliche Planungssicherheit her. Die Besonderheit des Betriebskonzeptes ist, dass es im Gegensatz zu den anderen Grundlagendokumenten nicht sukzessive durch die Planung oder das Projektende aufgehoben wird, sondern dass es die Planungs- und Realisierungsphasen des Projektes «überlebt» und später die Grundlage des Betriebs darstellt.

Das Projekthandbuch

An grossen und komplexen Projekten arbeiten viele unterschiedliche Personen über einen langen Zeitraum zusammen. Es bedarf einer klaren, hierarchischen und einfach verständlichen Regelung der Projektzusammenarbeit aller, damit diese sachbezogen, konstruktiv und effizient erfolgen kann. Das Projekthandbuch ist hierfür die unabdingbare Basis. Es legt die «Spielregeln» von Anfang bis Ende des Projektes fest, damit alle Projektbeteiligten ihre Rolle kennen und koordiniert auf die gesteckten Projektziele hinarbeiten können.

Entsprechend müssen Themen, welche die Zusammenarbeit aller Projektbeteiligten betreffen, im Projekthandbuch geregelt sein. Dazu zählen in der Regel die Projektorganisation mit Projektorganigramm und Funktionendiagramm / Stellenbeschreibungen (Pflichten-  / Kompetenz- / Verantwortungsregelung). Ferner ist das Informationswesen mit dem Sitzungswesen und den Standberichten geregelt. Prozesse und zu erstellende Dokumente des Leistungs-, Kosten- und Terminmanagements sind detailliert festgelegt. Das Projektänderungsmanagement sowie das Qualitätsmanagement und die Prozesse der Qualitätssicherung sind bestimmt. Aspekte zur Öffentlichkeitsarbeit und die Vertraulichkeit des Projektes sowie Vorgaben für die Projektdokumentation sind festgehalten. Obwohl diese «Spielregeln» für die meisten komplexen Projekte im Grunde sehr ähnlich sind, müssen diese detailliert und projektspezifisch formuliert werden. Es ist ferner unerlässlich den Besteller bei Erstellung des Projekthandbuches von Anfang an eng einzubinden und dieses wegen der darin zugeteilten Pflichten, Verantwortungen und Kompetenzen auch von ihm offiziell freigeben zu lassen.

Die Projektorganisation kann nur effizient funktionieren, wenn es von allen Projektbeteiligten verstanden und gelebt wird. Die Projektbeteiligten müssen dabei nicht nur die Anforderungen an ihre eigene Leistung verinnerlichen, sondern diese auch im Zusammenhang mit der Leistungserbringung des gesamten Projektteams verstehen. Es liegt daher an der beauftragten Projektleitung, das Projektteam hinsichtlich Projekthandbuch zu instruieren und die Einhaltung der Spielregeln zu überwachen.

Fazit

Die erläuterten Grundlagendokumente fassen die für den Projekterfolg wesentlichen Vorgaben an ein Bauprojekt zusammen. Im Zentrum stehen bauliche, betriebliche und organisatorische Aspekte, welche als verbindliche und nachvollziehbare Basis für die Planung dienen. Die Erfahrung aus gescheiterten Projekten zeigt, dass oft vor der anfänglichen Erstellung der Dokumente zurückgeschreckt wird und diese auch später nicht oder nur lückenhaft oder widersprüchlich vorhanden sind. Die Erfahrung aus dem professionellen Umgang mit Projekten zeigt dem gegenüber, dass Projekte mit Hilfe dieser Dokumente von Anfang an eine sehr hohe Planungssicherheit aufweisen und die Zielsetzungen schliesslich auch erreicht werden.