Matthias Hugi, Simon Nägeli, die Digitalisierung sowie der Druck zu mehr Nachhaltigkeit sind zwei Megatrends, die in sämtlichen Industrien Spuren hinterlassen. Wie beurteilen Sie deren Impact auf die Baubranche?
Simon Nägeli: Fast jeder Megatrend hat direkte Auswirkungen auf die bebaute Umwelt und damit unser Tätigkeitsfeld. Das gilt auch für die digitale Transformation sowie den zunehmend wichtiger werdenden Nachhaltigkeitsgedanken. Trends kommen und gehen. Mit unserer Arbeit tragen wir dazu bei, dass Investoren- und Bauherrschaften sowohl über die geeignete Projektstruktur als auch die notwendigen Entscheidungsgrundlagen verfügen, um ihre Bauprojekte über alle Phasen professionell zu steuern. Bei den Grossprojekten, an denen wir aktuell mitarbeiten, sehen wir einen Wendepunkt. Im Rahmen dieser Bauvorhaben erleben wir hautnah, wie sich die Anforderungen und Voraussetzungen wandeln und die Veränderung in der Branche Fahrt aufnimmt.
Matthias Hugi: Der Umbruch ist auch bei der digitalen Transformation ganz klar spürbar. Und dennoch – im Vergleich zu anderen Industrien ist die Immobilienbranche hinsichtlich Digitalisierung noch gemächlich unterwegs. Doch wir stellen gleichwohl fest, dass sowohl die Investorinnen und Investoren als auch die Eigentümerinnen und Eigentümer diesbezüglich viele Fragen haben. Oftmals besteht unsere Aufgabe daher darin, die wenig konkreten Erwartungshaltungen möglichst frühzeitig im Projektablauf zu analysieren und spezifizieren. Die Digitalisierung bringt der Bauherrschaft insbesondere dann Vorteile, wenn sie zu effizienteren Betriebsprozessen führt. Daher steht für eine nachhaltige Anforderungsdefinition zumeist die Optimierung der späteren Betriebsprozesse im Vordergrund.
Wo sehen Sie demnach die grössten Chancen und Herausforderungen für die Marktteilnehmenden der hiesigen Bau- und Immobilienbranche?
Matthias Hugi: Sowohl die Eigentümer- als auch die Investorenschaft möchte hinsichtlich ihrer heutigen sowie künftigen Investitionen keine Fehlentscheide treffen. Das ist angesichts der hohen Anlagevolumen verständlich und deswegen stellen sich gerade zu Beginn eines Bauprojektes viele Fragen. Es lohnt sich, diese möglichst frühzeitig zu strukturieren und adressieren, denn am Anfang eines Projekts verfügt man noch über vergleichsweise viel Handlungsfreiheit. Diese Herausforderung wird sich angesichts der zunehmenden Komplexität sowie der steigenden Anforderungen an die Akteurinnen und Akteure der Baubranche noch verschärfen.
Simon Nägeli: Allerdings sehen wir parallel zur ansteigenden Regulierung auch eine zunehmende Professionalisierung der Marktplayer, darunter der Bauherrinnen und Bauherren. Hier sehen wir eine klare Chance. Gleiches gilt für die Betriebsorganisationen. Ein Objekt ist heutzutage nur dann wirklich nachhaltig, sowohl ökologisch als auch ökonomisch, wenn es sich optimal betreiben lässt. Werden die betrieblichen Bedürfnisse von Anfang an in die Projektentwicklung miteinbezogen, ergeben sich enorme Chancen. Die Voraussetzung dafür: Bauwerke müssen über ihren gesamten Lebenszyklus hinweg betrachtet, geplant, umgesetzt und betrieben werden.
Das bedeutet also, dass eine ganzheitlichere Sichtweise auf Immobilienprojekte notwendig ist?
Simon Nägeli: Wir sind klar dieser Meinung und unsere Erfahrung gibt uns recht. Hinsichtlich Nachhaltigkeit etwa nimmt die Regulierungsdichte zu und der Druck auf die Branche wird auch durch den gesellschaftlichen Wandel befeuert. Dementsprechend stehen auch die Vertreterinnen und Vertreter des Immobiliensektors in der Verantwortung, vertiefte Strategien darüber zu formulieren, wie sie mit den bestehenden Ressourcen umgehen möchten. Zu diesem Zweck müssen Objekte, wie gesagt, über ihren gesamten Lebenszyklus hinweg betrachtet werden. Genau dabei helfen wir von Brandenberger+Ruosch. Mit unserer Erfahrung und Expertise tragen wir dazu bei, den Bauherren und Investoren eine umfassendere Perspektive zu eröffnen. Zentral ist, dass man die Erstellung und den späteren Betrieb eines Gebäudes nicht separat anschauen darf.
Brandenberger+Ruosch war ursprünglich ein reines Bauherrenberatungsunternehmen, hat sich mittlerweile aber als Dienstleistungsunternehmen im gesamten Immobilienlebenszyklus etabliert. Wie kam es dazu?
Matthias Hugi: Uns ging und geht es immer darum, sowohl die Eigentümer- als auch die Investorenschaft zu befähigen, fundierte Entscheide zu treffen und ihre Projekte umfassend sowie ganzheitlich zu planen. Wir nennen dies «Bestellerkompetenz». Unser Dienstleistungsportfolio wurde umfangreicher, als wir auch den Bereich der Immobilienberatung und -entwicklung hinzufügten. Das hat seinen Grund: In der Vergangenheit fanden wir uns regelmässig in der Situation wieder, dass Projekte an uns herangetragen wurden, die nicht optimal aufgegleist waren. Müssen Korrekturmassnahmen aber zu einem späten Projektzeitpunkt ergriffen werden, bringt dies hohe Aufwände und vor allem Kosten mit sich. Darum legen wir Wert darauf, möglichst früh in einem Bauvorhaben involviert zu sein und dieses ganzheitlich zu begleiten. Dazu gehört auch, dass wir nach Bauabschluss nicht das gesamte Know-how einfach abziehen, sondern auch den Betrieb schulen und befähigen, seine Aufgaben möglichst optimal zu erfüllen. Dafür setzen wir nur bestausgebildete Mitarbeitende ein und arbeiten basierend auf der klar strukturierten Methodik unseres zertifizierten Managementsystems.
Wie werden die Fachleute von Brandenberger+Ruosch demnach idealerweise zu einem Projekt hinzugezogen?
Simon Nägeli: Wir unterscheiden vier Projektmeilensteine, bei denen wir im Optimalfall präsent sind. Zu Beginn steht die Initialisierungsphase. Hierbei geht es auch um die Ressourcenfrage und in diesem Projektabschnitt kann man mit relativ geringem Aufwand viel bewirken. Es gilt, in dieser Phase die wesentlichen Weichen zu stellen. Darauf folgen für die weitere Projektabwicklung ein Projektierungs- und Realisierungsentscheid. Den vierten Meilenstein bildet dann der Projektabschluss mit der Rückkehr zum Normalbetrieb. Oftmals werden wir aber auch bei drängenden Problemen angefragt und steigen beispielsweise im Rahmen einer Projektüberprüfung oder eines Audits in ein laufendes Projekt ein. Durch unsere breite Erfahrung und unsere Unternehmensgrösse können wir die nötigen Kapazitäten schnellstmöglich bereitstellen. Dabei hilft auch, dass wir in unserem Kerngeschäft der neutralen, unabhängigen Bauherrenberatung das grösste Schweizer Unternehmen sind.
Sie haben gesagt, dass Gebäude über ihren gesamten Lebenszyklus hinweg zu betrachten sind. Kreislaufwirtschaft, BIM sowie die Relevanz von grauer Energie rücken dabei in den Fokus. Wie integriert man diese Ansätze sinnvoll in ein Bauprojekt?
Simon Nägeli: Dies ist stark von den individuellen Prioritäten der Bauherrschaft beziehungsweise der Investierenden abhängig. Je ernsthafter man diese Aspekte einbinden möchte, desto klarer müssen sie in der Projektierung und Realisierung verankert werden. Diese Form der Nachhaltigkeit ist auch nicht kostenlos. Wir setzen daher auf ein frühes Gespräch mit den Auftraggebenden und loten dabei aus, welchen Stellenwert zum Beispiel die Wahrung der Kreislaufwirtschaft hat. In einem Variantenstudium können dann verschiedene Szenarien einander gegenübergestellt werden.
Welche Rolle kommt für einen nachhaltigeren Immobiliensektor den Entwicklern zu – und welche Weichen muss der Gesetzgeber stellen?
Matthias Hugi: Bedarf, Markt, Standort und Kapital zusammenbringen – dies ist die Aufgabe der Entwicklung. Dem Gesetzgeber wiederum unterliegen die grossen Weichenstellungen, sprich die Raumplanung oder auch konkret die Vorgabe zu mehr Innenverdichtung. Gleichzeitig sehen wir uns mit einer zunehmenden Regulierungsdichte konfrontiert. Diese Rahmenbedingungen stellen eine Herausforderung dar und führen zu steigenden Erstellungskosten. Umso essenzieller wird die erwähnte Bestellerkompetenz. Dazu gehört auch ein professionelles Stakeholdermanagement. Den Dialog mit allen relevanten Anspruchsgruppen sinnvoll und zielgerichtet zu führen, ist matchentscheidend.
Welche wichtigen Entwicklungen werden mittel- bis langfristig auf die Branche zukommen?
Simon Nägeli: Das Bauen ist nicht einfacher geworden und das wird es auch in Zukunft nicht. Daher müssen sich Marktteilnehmende fragen, wie die Kompetenzen in ihrer Projektorganisation gebündelt sind. Eine klare Strukturierung ist hierfür unerlässlich.
Matthias Hugi: Gerade die öffentliche Hand muss sich überlegen, welche künftigen Regulierungen sie will. Im Idealfall gelingt es der Branche, dass nicht auf jede praktische Frage direkt mit einem Gesetz geantwortet werden muss – sondern dass alle Akteure einen zielgerichteten Dialog führen können.