Grossbanken, Versicherungen oder Behörden entwickeln selten eigene Grossprojekte, sondern investieren oft in ein bereits bestehendes Projekt, das von Architekturbüros, Totalunternehmern oder Projektentwicklern ausgearbeitet wurde. Bei ihrem Entscheid müssen sie sich auf bestehende Pläne und die Aussagen der Projektverfasser verlassen. Nur: Wie kann der Investor überprüfen, ob die neue Überbauung seinen Bedürfnissen entspricht? Ob die angegebene Rendite stimmt und es zu keinen bösen Überraschungen beim und nach dem Bau kommt?
Für Grossprojekte ab 50 Millionen
Was für Firmenübernahmen mit dem Ausdruck Due Diligence – gebotene Sorgfalt – umschrieben wird, lässt sich auch auf den Bausektor übertragen: Eine Investition muss auf alle wichtigen Parameter hin durchleuchtet werden, damit Chancen und Risiken frühzeitig erkannt werden. Dies gilt für Projekte ab einer Investition von etwa 50 Millionen Franken. Für kleinere Projekte genügt oft ein sogenanntes Projekt-Audit, das meist von einer Person durchgeführt wird. Due Diligence bietet sich bei Grossüberbauungen im Wohn- oder Geschäftsbereich an, bei Einkaufszentren oder bei Umnutzungen von Industriegebieten oder bestehenden Gebäuden. So wurde etwa bei der geplanten Bahnhofüberbauung Eurogate im Auftrag der UBS eine umfassende Due Diligence durchgeführt.
Idealerweise wird der Due Diligence Prozess dann ausgelöst, wenn ein Wettbewerbs- oder Vorprojekt vorliegt, da in diesem Stadium das Optimierungspotenzial am grössten ist. Doch auch zu einem späteren Zeitpunkt ist die Überprüfung der Projektdaten sinnvoll. Im Vergleich mit einem Audit, das mittels Einzelinterviews der involvierten Parteien etwa eine Kostenoptimierung erreichen oder die Ursachen bei Ausführungsproblemen untersuchen kann, ist eine Due Diligence umfassender. Es werden nicht nur Termine, Kosten und die rechtlichen Grundlagen genau untersucht, sondern auch Statik, Bauphysik, Haustechnik, Logistik sowie Vermietbarkeit und Rendite. Insgesamt ist je nach Tiefe der Analyse und Projektgrösse mit einer Bearbeitungszeit von einem Monat zu rechnen. Um den unvoreingenommenen Blick zu gewährleisten, kann es sinnvoll sein, eine spezialisierte externe Firma beizuziehen.
Der Due Diligence-Prozess läuft folgendermassen ab: Zuerst werden zusammen mit dem Investor mögliche Projektrisiken eruiert. Zu jedem problematischen Gebiet werden die bestmöglichen Spezialisten gesucht, die im Team gemeinsam den Überprüfungsprozess unter der Leitung eines Moderators durchführen. Dies geschieht in einem mehrtägigen Workshop. Jeder Spezialist macht sich anhand der vom Projektverfasser zur Verfügung gestellten Pläne, Konzepte, Berichte ein Bild über die Risiken in seinem Spezialgebiet. Dabei führt er auch einzelne Interviews für weitere Nachforschungen durch. Wichtig ist zudem die Abklärung, in welchem Mass ein Risiko andere Parameter im Projekt beeinträchtigt. So hat zum Beispiel eine kürzere Bauzeit Einfluss auf die Konstruktion des Gebäudes, auf die Logistik sowie auf die Rendite. Verlängert sich wegen Einsprachen oder Problemen im Baugrund die Bauzeit, so muss das Projekt länger und notfalls anders vorfinanziert werden, bis die Erträge fliessen.
Unbequeme Fragen stellen
In diesem Prozess ist ein gutes Zusammenspiel innerhalb des Teams der zugezogenen Spezialisten entscheidend. Unbequeme Fragen müssen ebenfalls aufgeworfen und unkonventionelle Ideen erörtert werden. Die Fäden laufen beim Moderator zusammen. Jeder Spezialist erstellt einen Teilbericht, konfrontiert die Projektverfasser mit den gefundenen Ergebnissen und holt deren Stellungnahme ein. Es kann so verhindert werden, dass Optimierungsvorschläge aufgrund von fehlendem Projektwissen nicht durchführbar sind. Erst dann wird der Endbericht erstellt und dem Investor präsentiert.
Ohne diesen Überprüfungsprozess könnte der Investor böse Überraschungen erleben: Er bezahlt unter Umständen zu viel für das Projekt, die Baukosten könnten das Budget überschreiten oder der Mietertrag kleiner ausfallen als erwartet, beispielsweise weil die Mietfläche zu gross oder der erzielbare Mietzins zu hoch angenommen wurde. Es besteht auch die Gefahr, dass das Projekt nicht den Bedürfnissen der Mieter entspricht oder rechtlich nicht konform ist, womit Einsprachen vorprogrammiert sind.
Risiken reduzieren, Projekt optimieren
Mit einer Due Diligence dagegen reduziert der Investor merklich sein Risiko beim Erwerb eines Grossprojektes ab Plan: Kosten, Rendite und Erträge werden minuziös geprüft und mögliche Risiken aufgezeigt – alles wertvolle Entscheidungsgrundlagen. Zudem erhält der Investor eine zweite Meinung, wie er das bestehende Projekt nach seinen Bedürfnissen optimieren kann. Ihm wird sozusagen ein Spiegel vorgehalten.