Stakeholdermanagement wird in Projekten hinsichtlich Kommunikation, Information und Risikominimierung seit längerem eingesetzt. Spätestens seit der Überarbeitung der ISO-Norm 9001 im Jahr 2015 ist das Identifizieren von Stakeholdern und das Verstehen von Erwartungen interessierter Parteien auch in Unternehmen ein wichtiger Bestandteil. Dieser Fachartikel erläutert anhand zweier Immobilienprojekte den grundsätzlichen Aufbau und die verschiedenen Schwerpunkte des Stakeholdermanagements. Die Identifikation der relevanten Parteien, Bedürfnisse und Themen erlaubt, ein Projekt oder Unternehmen als funktionierendes System zu verstehen, zu strukturieren und daraus Chancen und Risiken abzuleiten. Darüber hinaus legt die interne und externe Analyse der Stakeholder die Basis für weitere strategische Überlegungen. Der Kerngedanke ist die Kenntnis der verschiedenen Sichtweisen zu einem Projekt oder Thema, welche eine zielführende Priorisierung zulässt.
Analyse mit Mehrfachnutzen
Ein Industriekonzern als grösster Arbeitgeber der Gemeinde wächst und sucht für den zusätzlichen Raumbedarf das geeignete Grundstück, ein entsprechendes Projekt und Planende. Die unternehmensspezifischen Anforderungen sollen in einem Nutzungskonzept mit Raumprogramm festgehalten werden. Für das beispielhafte Mandat ergaben sich verschiedenste Aufgaben, welche zu Beginn mit einem einzigen Hilfsmittel angegangen worden sind: mit der Stakeholderanalyse. Als Stakeholder werden die in Bezug auf ein Projekt oder Unternehmen interessierten Parteien bezeichnet. Die Analyse identifiziert zuerst alle möglichen und relevanten, heutigen und zukünftigen Stakeholder in einem Projekt. Diese werden danach auf mögliche Interessen, Bedürfnisse und Erwartungen an das Projekt analysiert sowie auf den Einfluss, den sie darauf ausüben könnten, und umgekehrt. Daraus lassen sich auch externe Projektrisiken ableiten. Die interessierten Parteien innerhalb eines Unternehmens unterscheiden sich in der Regel von den externen nicht nur bezüglich des Standpunktes, sondern auch bezüglich der Betroffenheit, was eine differenziertere Betrachtung verlangt. Stakeholder mit ähnlichen Interessen oder Einfluss lassen sich zu Gruppen zusammenfassen, was deren Bewertung und Klassifizierung vereinfacht. Mit dem Festlegen spezifischerer Massnahmen sowie dem Lenken, Informieren und Einbinden der Stakeholder sollen die Projektchancen maximiert und die entsprechenden Risiken minimiert werden.
Beim eingangs erwähnten Mandat wurden die internen Stakeholder über alle Konzernbereiche als gleich wichtig eingestuft, da deren Aussagen zur Arbeitsweise ausschlaggebend für das Erstellen des Nutzungskonzepts waren. Des Weiteren wurden ihr Bedarf und ihre Anforderungen an die zukünftige Nutzung eruiert, um daraus Raumbedürfnisse ableiten zu können. Bei den externen Stakeholdern wurde die Gruppe der Eigentümer der potenziell interessanten Nachbar-Parzellen einheitlich angegangen, um mögliche kurz- oder langfristige Transaktionen zu identifizieren und so eine realistische räumliche Wachstumsstrategie abbilden zu können. Darüber hinaus wurden einige strategisch wichtige Parteien analysiert und integriert, welche erhebliche Chancen und Risiken für das Projekt darstellen könnten, z. B. Teile der Behörden, Anbieter des öffentlichen Verkehrs, benachbarte Energielieferanten oder Altlasten-Spezialisten. Stakeholder mit weniger Einfluss wurden zum richtigen Zeitpunkt über das Projekt informiert oder aber erst nach Bedarf eingebunden. Die Massnahmen helfen, mögliche Oppositionspotentiale zu minimieren und stellen den Projekterfolg sicher.
Ausgangslage strategischer Überlegungen
Ein ähnliches Vorgehen wurde bei der Erarbeitung einer Immobilienstrategie in der öffentlichen Verwaltung gewählt. Anhand eines übergeordneten, einfachen Strukturgerüsts wurden Prozesse und Themen zur Bedarfsermittlung und Massnahmenplanung als Grundbausteine des Strategieprozesses aufgeführt. Dem Gerüst wurden Stakeholder und umgekehrt Themen der Stakeholderanalyse zugewiesen. Die Analyse ermöglichte die Priorisierung der Ansprechgruppen und grenzte den Betrachtungsperimeter der Immobilienstrategie gegenüber anderen Departementen und Abteilungen ein. Die Erwartungen, Bedürfnisse und «brennenden» Themen aus der Stakeholderanalyse zum Strategieprozess wurden in Interviews abgeholt, in Workshops diskutiert und konsolidiert sowie schliesslich Chancen/Risiken und Stärken/Schwächen zugeführt. Damit gelangte die Verwaltung zu einem SWOT-orientierten Strategieansatz. Durch die systematische Erfassung und Verortung der Prozesse und Stakeholder wurde das Umfeld der Verwaltungseinheit erst richtig verstanden. Die Stakeholderanalyse ermöglichte die gleichsam basis-demokratische Bedarfserfassung sowie die interne und externe Analyse zur Strategiefindung.
Die Stakeholderanalyse kann noch weiterführen, indem die Bewertung des Einflusses sowie der Beeinflussbarkeit der Stakeholder und Themen ins Zentrum rückt und so erlaubt, die strategischen Treiber festzulegen. Eine vorgängig erstellte externe Analyse (z. B. PESTEL) kann weitere Aussensichten in den Strategieprozess tragen. Im Zusammenhang mit strategischen Überlegungen zum Unternehmen kann der Fokus der Analyse eher auf dem Kontext (als Umfeldanalyse) liegen. Steht eher die Information im Vordergrund, kann aus ihr ein Kommunikationsplan abgeleitet werden. Der Vorteil der Stakeholderanalyse liegt darin, dass interne und externe Sichtweisen mit der gleichen Methodik rasch und einfach erfasst werden können.
Nutzen
Die vorgängigen Ausführungen zeigen, wie die Stakeholderanalyse die Ausgangslage für viele Überlegungen in der Projektinitialisierung bildet – und dies unabhängig von Ziel und Flughöhe. Dieses Hilfsmittel ist dank seiner Einfachheit anpassbar, sowohl in der Tiefe (z. B. mit der Ableitung von Massnahmen) als auch in der Breite (Betrachtungsrahmen). Zudem kann es mit Inhalten aus weiteren internen und externen Analysen (z. B. 5-Forces oder PESTEL) erweitert werden. Die Stakeholderanalyse trägt zu einer raschen Übersicht über Prozesse und Stakeholder des Unternehmens oder des Projektes bei. Die Analyse unterstützt den Aufbau und das Verständnis für verschiedene Sichtweisen, Interessen und Themen, welche sich durch Qualifizieren und Quantifizieren priorisieren lassen. Durch die frühe Einbindung verschiedener Stakeholder gewinnt das Projekt an Akzeptanz und Zuspruch, mögliche Risiken werden früher ins Spiel gebracht und können gelenkt werden. Die Stakeholder werden zu Promotoren oder Richtungsweisern in einem Projekt oder Unternehmen.